Der höchste Feiertag

Seit besagtem höchstem Feiertag der Republik Belarus sind zwar schon einige Wochen vergangen, ein Rückblick lohnt sich aber trotzdem. Es ist der Tag der Unabhängigkeit, begangen wird er am 3. Juli. Wovon wurde man unabhängig? Wer keine vertieften Belarus-Kenntnisse hat, der wird kurz nachdenken und wohl zu folgendem Schluss kommen. Belarus ist heute ein unabhängiger Staat, der früher zur Sowjetunion gehörte. Also wird man wohl dem Tag der Unabhängigkeitserklärung von der SU gedenken. Bis 1997 stimmte das, allerdings feierte man damals dreieinhalb Wochen später, am 27. Juli. An besagtem Tag erklärte sich Belarus 1990 für unabhängig. Warum dann heute der 3. Juli?000_0284

Auch dieser Tag ist schon lange ein besonderer Tag, zumindest in Minsk. Es war über Jahrzehnte der Tag des Stadtfestes. Gedacht wurde der Befreiung vom Hitler-Faschismus mit dem Sieg über die Okkupanten am 3. Juli 1944. In einem Land, in dem noch heute allein in Minsk sechs Lenin-Denkmäler stehen und der Präsidentenpalast an der Kreuzung von Marx- und Engels-Straße steht (kein Scherz) passte die Unabhängigkeitserklärung von der Sowjetunion 1997 nicht mehr ins Bild, und die Stadt Minsk musste ihr Stadtfest auf September verschieben. Der 3. Juli gehörte jetzt dem ganzen Land.

Schon in den Wochen vor diesem Tag wird Minsk – und wohl das ganze Land – in bunten Farben und mit großen Spruchbändern geschmückt. Ähnliches passiert auch zu anderen Feiertagen, aber nicht ganz in diesem Umfang. An hohen Gebäuden werden in ganzer Länge die Fassaden mit Plakaten zugehangen, die Anstreichtrupps streichen alles was nicht bei drei auf den Bäumen ist neu an. Alles wird herausgeputzt.

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Etwa eine Woche vor dem Tag merken die Minsker, dass die heiße Phase begonnen hat. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kann man von einem lauten Grollen überrascht werden. Kommt man näher, biegt um eine Häuserecke auf einer der zentralen Straßen, bekommt man Mittelstreckenrakteten, Panzer und andere Kettenfahrzeuge zu sehen. Die Minsker Garnison trainiert für die große Militärparade. Den Asphalt der Straßen freut das nicht besonders. Dafür werden auch im Berufsverkehr Hauptstraßen für längere Zeit und ohne besondere Vorankündigung geschlossen. Doch nicht nur am Boden wird Sowjettechnik ausprobiert, auch am Himmel erstreckt sich das Spektakel. Wer also noch nie Formationen von Kampfjets des Typs Suchoi in 150 Metern Höhe mit 700 km/h vorbeidonnern sah und hörte, kann das Anfang Juli in Minsk trainieren. Wem die Kopfbewegung zu schnell geht, für den gibt es auch Hubschrauber. Die sind langsamer.

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Am schon angesprochenen 3. Juli ist es dann soweit. Schon früh machen sich viele Minsker auf zum Ort der Parade. Im Gegensatz zum 9. Mai, dem Tag des Sieges, gibt es an dieser Parade durchaus Interesse. Auch großer Menschenandrang ist kein Grund die Leute schnell und effizient zu kontrollieren. Wer den Beginn der Parade nicht an der Einlasskontrolle erleben will, war mindestens zweieinhalb Stunden vorher da.

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Über die Kreuzung am “Prospekt der Sieger” rollt dann wie eingeübt allerlei Technik. Mit Ausnahme einiger chinesischer Jeeps fast alles noch aus Sowjetzeiten, auch wenn sich der Sprecher bemüht zu betonen wie aktuell und welteinzigartig alles ist. Doch nicht allein Militärtechnik ist zu sehen. Auch andere Erzeugnisse aus einheimischer Produktion. So rollen irgendwann nicht nur LKWs und Traktoren, sondern auch Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte vorbei. Den Abschluss bilden Sportler die unter den Augen nicht nur des einheimischen, sondern auch der Präsidenten von Venezuela und Laos – sie sind in diesem Jahr extra angereist um Kühlschränke zu sehen – die Mittagshitze marschierend zu erleben.

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Nach Abschluss des Spektakels kann der Minsker noch zu einer der viele Bühnen gehen und Pop-Musik im Stil der 90er Jahre hören und abends ein großes Feuerwerk sehen, das an vielen Stellen der Stadt gleichzeitig abgefeuert wird.

Wer jetzt Lust bekommen hat die Parade in bewegten Bildern und voller Länge zu sehen, kann dies hier tun:

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