aus Alt mach Neu

In ganz Belarus gibt es zwei von der UNESCO anerkannte Weltkulturerbestätten. Zum Vergleich, allein in Sachsen-Anhalt gibt es vier. Neben dem Schloss in der Stadt Mir, ist auch das Schloss in Neswisch UNESCO-Welterbe. Das Schloss ist übrigens auf dem 100.000 Rubel-Schein abgebildet. An diesem Beispiel soll dieser Beitrag hier beschreiben wie in Belarus teilweise mit historischen Orten umgegangen wird.000_0101

Neswisch ist für den Binnentourismus in Belarus eine wichtige Attraktion und zieht viele Besucher an. Bis in die 1930er Jahre gehörte es der alten Adelsfamilie Radziwill. In der angrenzenden Kirche sind viele Radziwills begraben. Die Rote Armee sorgte 1939 für einen Wohnortwechsel der Familie. Anschließend wurde das Schloss als Sanatorium genutzt, verfiel aber zusehends. In den 1990er Jahren besann man sich der Tradition und nach 2000 fasste man schließlich den Beschluss es zu sanieren.

000_0119Sanieren bedeutet im Fall von Belarus oft, eine Art Disney-Land zu bauen, ohne viel Rücksicht auf Tradition. In jedem Fall ist zu bedenken, dass Krieg und Sowjetzeit viel Spuren hinterlassen haben müssen und so ist es in der Tat verwunderlich wie alt Neswisch auf den ersten Blick wirkt. Aber doch gut in Schuss, zumindest von außen. Das Schloss ist von einen Wassergraben umgeben, über eine Brücke und durch einen Torbogen gelangt man in den Innenhof. Von dort beginnt der Rundgang durchs Gebäude. Gleich im ersten Raum des Museums, in dem es um die Geschichte des Hauses geht, fällt auf, dass es hier praktisch nichts altes gibt. In den Vitrinen befinden sich nur Kopien. Das Original ist in Minsk oder Moskau, heißt es in der Beschriftung. Und wenn hier von Kopien von Karten oder Dokumenten die Rede ist, dann sind diese auf den ersten Blick als solche zu erkennen, von jedem Laien.

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Was von der Originalsubstanz noch erhalten war hat man wohl wegsaniert. Treppen und Innentüren könnten aus jedem Baumarkt stammen. Auch Möbel und Assessores in den folgenden Räumen kommen wohl aus dem nächsten Möbelhaus. Abteilung Barockmöbel. An den Wänden hängen zwar Gemälde, dass sie ebenfalls Kopien sind braucht man nicht erst der Beschriftung zu entnehmen, es ist so sichtbar. In Deutschland hätte man sich bemüht zu zeigen, was von der Originalsubstanz noch erhalten ist. Den Gegensatz zwischen dem Ergänzten und dem Erhaltenen. Hier kommt einfach neuer Putz darüber. Alles wie neu.

Im Schloss ist man ständig von Reisegruppen umgeben. Ein Touristenführer ist dabei. Wichtiges Accessoire: ein Zeigestock. Mit ihm erklärt er den Schulkindern die einzig wahre Wahrheit über die Welt.

Immerhin gegen Ende des Rundgangs sind in Vitrinen noch einige Originalstücke aus dem Besitz der Familie zu sehen, die einst hier wohnte. Auch nach Verlassen den Schlosses kann man sich noch etwas in dem sehenswerten Park die Beine vertreten. Einst einer der größten Landschaftsparks im englischen Stil in Europa. Das war vor über 100 Jahren.

Zum Schluss sei noch gesagt, dass Neswisch im Vergleich zum oben erwähnten Mir noch als gelungene Rekonstruktion gilt. Dort ist wohl noch weniger Original übrig.

Und sonst so in Belarus (II): Molodetschno

Wie angekündigt hier die Fortsetzung der Serie über weitere Orte in Belarus. Es geht um die Stadt Molodetschno (belarussisch: Маладзечна; bzw. russisch: Молодечно). Sie liegt etwa eine Stünde nordwestlich von Minsk und hat etwa 100.000 Einwohner, gefühlt aber weniger. Alles verteilt sich über eine größere Fläche.

Zu erreichen ist die Stadt für eine Hand voll Rubel – natürlich in Papiergeld mit vielen Nullen – mit der Elektrischka. Die schon erwähnte Babuschka, die zur Datscha unterwegs ist um dort Beeren und Gurken zu ernten fährt noch weiter. Die so populäre Datscha vieler Weißrussen befindet sich oft irgendwo in Belarus, nicht notwendigerweise in der Nähe des Wohnortes. Eben da, wo irgendein Vorfahr, oder man selbst ein mehr oder weniger kleines Sommerhaus gebaut hat. Aber erstmal genug über Datschas.

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Vor dem Bahnhof ist der Weißrussin in hohen Absätzen ein Bronzedenkmal gesetzt. Von dort kommt man in eine Fussgängerzone. Alles ist gut in Stand gehalten und wirkt wie vor kurzem renoviert. Das hat mit Dazhinki (Дожинки) zu tun, einer jährlichen Großveranstaltung – zu vergleichen mit dem Erntedankfest. In jedem Jahr wird es in einer anderen Stadt ausgetragen. Da viele Besucher in die Stadt kommen – auch und besonders, von ganz oben – wird die Stadt herausgeputzt. In gewisser Weise vielleicht mit einer deutschen Bundes- oder Landesgartenschau zu vergleichen. Molodetschno wir also Austragungsort von Dazhinki 2011.

Folgt man der Fussgängerzone weiter, kommt man irgendwann auf den obligatorischen Lenin-Platz. Er heißt hier einfach nur zentraler Platz. Lenin spricht mit geballter Faust über den Weg zum Kommunismus, mit der anderen Hand, in der er seine Mütze hält, wird er gleich den richtigen Weg dorthin zeigen. Hinter Lenin steht ein Gebäude wie erwartbar, im Zuckerbäckerstil der 1940er und 1950er Jahre. Heute befindet sich darin ein College, so eine Art Berufsschule, aber letztlich nicht so recht ins deutsche Bildungssystem einzuordnen. Erbaut wurde das Haus als Verwaltungssitz des Molodetschno-Gebietes (Молодечненская область). Bis zu einer Gebietsreform in den 1960er Jahren war die Stadt damit sozusagen Landeshauptstadt.

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Folgt man Lenins Blick über den Platz kommt man – nicht zum Kommunismus, sondern hier Molodetschno – zum Sieges-Park. Welcher Sieg gemeint ist, braucht nicht erwähnt zu werden. Die große Parkanlage liegt mitten im Zentrum der Stadt. Extra für Dazhinki wurde 2011 auch noch ein See angelegt. Boote laden zu einer sicher mehrminütigen Fahrt ein, inklusive Fontäne.

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Neben diesem Nachkriegszentrum der Stadt, gibt es aber auch ältere Teile. Sie waren von Dazhinki weniger betroffen und sind authentischer. Nicht wenige Holzhäuser und die eine oder andere Kirche haben sich erhalten. Auch kann man sagen, dass hier noch durchaus mehr ältere Autos unterwegs sind, als z.B. in Minsk. Hat man genug von der Stadt gesehen, ist man egal ob mit Lada oder Elektrischka eine Stunde später wieder in der Hauptstadt.

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Neue Farbe!

Es spricht entweder dafür, dass staatliche Bedienstete immer neue, wenig sinnvolle Aufgaben bekommen um sie zu beschäftigen, oder gegen die Qualität des letzten Anstrichs, der drei Monate alt ist. Ist etwa schon wieder Rost erkennbar? Einfach überstreichen. Derzeit werden viele Bushaltestellen neu gestrichen. Vielleicht ist auch einfach grau out und die Farbe des Sommer ist braun. 000_0730

Und sonst so in Belarus (I): Brest

Unter dem oben genannten Titel soll sich ab jetzt eine Serie von Beiträgen mit Orten in Belarus beschäftigen, die es sonst noch so – also außerhalb von Minsk – gibt, und die ich besucht habe.

Den Auftakt bildet Brest. Genaugenommen war Brest die erste Stadt in Belarus, die ich besucht habe. Das hängt mit der Lage der Stadt zusammen. Brest ist das Eingangstor nach Belarus, ist Grenzstadt an der belarussischen Westgrenze. Auf der anderen Seite ist Polen. Wer mit dem Zug aus dem Westen nach Belarus – oder weiter nach Osten – kommt, macht automatisch einen Zwischenstopp in Brest. Dort wird der Zug auf die russische Breitspur umgestellt, und er hat einige Zeit Aufenthalt.

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Der Bahnhof lässt erkennen, dass Brest früher das Eingangstor zur Sowjetunion war. Allerlei Zuckerbäckerstuck mit Hammer, Sichel und Sowjetsternen lässt den Bahnhof allgemein etwas zu groß für die Stadt wirken und wird gerade restauriert.

Mittlerweile war ich zweimal in Brest. Wetterlage jeweils: Schneesturm, auch im April (!). Über eine Lage Fussgängerbrücke – auf der man einiges von den mit Kohle befeuerten Waggons auf den Schienen mitbekommt – gelangt man in die Stadt. Im Gegensatz zu Minsk gibt es sogar eine Fussgängerzone: die Sowjetstraße (улица cоветская). Im Sommer soll es hier schön sein. Ebenfalls im Gegensatz zu Minsk gibt es in der Stadt allgemein recht viele ältere Häuser.

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Eine Konstante der Serie “Und sonst so in Belarus” wird der jeweilige Leninplatz bilden, der in jeder Stadt der ehemaligen Sowjetunion zu finden ist. Er ist in der Regel der zentrale Platz der Stadt an dem sich wichtige Gebäude befinden und wie der Name vermuten lässt weist eine Leninstatue dort den Weg zum Kommunismus. In Brest zeigt Lenin an diesem Tag lediglich wo der Schnee herkommt, den er im Gesicht hat.

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Doch ist in Brest nicht nur die Stadt, sondern die in Laufweite gelegene Festung besuchens-wert. Genaugenommen die “Brester Heldenfestung”. Mehr zum Heldentum später.

Vorbei an Heizkraftwerk und Eisenbahnmuseum kommt man am Rande der Stadt zum Eingang des Festungs-komplexes. Die Festung wurde Anfang des 19. Jahrhunderts auf mehreren Flussinseln gebaut. Man nutze also eine natürlich gegebene strategisch gute Position. Es gab zum Zeitpunkt des Baus nur ein Problem. Genau an dieser Stelle befand sich damals die Stadt Brest. Kein Problem dachten sich die Baumeister und rissen alles ab. Die Stadt Brest von der oben die Rede war, ist also das was nach dem Umzug gebaut wurde. Das ganze hat den Nebeneffekt, dass sich neben der Festung heute auch ein archäologisches Museum befindet, da sich ja die Überbleibsel der Stadt aus der Zeit vor 1800 ja neben, bzw. unter der Festung befinden.

Zurück zur heutigen Heldenfestung. Man kommt auf eine lange breite Sichtachse. Am Ende befindet sich der Eingang zur Festung. Es ist ein großer hohler Sowjetstern, durch den man die Festung betritt. Das Motiv ist auch auf dem 50-Rubel-Schein abgebildet. Bei Betreten der Festung läuft Marschmusik und sowjetisches Radioprogramm aus dem Sommer 1941.

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Gleich danach die nächste Sichtachse, auf einen riesigen Soldatenkopf, der bereits aus großer Entfernung gut zu erkennen ist. Am Wegesrand Panzer und Souvenirstände, die bei Schneesturm kein gutes Geschäft machen. Vor dem riesigen Kopf befindet sich ein riesiger Platz. Ein Traktor ist gerade dabei ihm komplett (!) vom Schnee zu befreien. Vor dem riesigen Kopf auf dem riesigen Platz eine Flamme. Die ist zwar nicht riesig aber immerhin brennt sie Tag und Nacht. Es ist die ewige Flamme der Brester Heldenfestung. Um die Flamme herum sind die Namen der anderen Heldenstädte der Sowjetunion verteilt. Heldenhaftigkeit und Sowjetmythos den die Festung umgeben, ist dem Umstand geschuldet auch nachdem die Stadt und das Hinterland schon lange erobert waren noch über längere Zeit ausgehalten haben, 1941. Laut den im Museum ausgestellten Wandkritzeleien, über mehrere Wochen.

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Im Sommer ergießt sich ein nicht enden wollender Strom aus Schulkindern über die Festung, im Winter ist es recht menschenleer. Durch den nicht müde werdenden Schneesturm geht es zurück zum Bahnhof. Für den Gegenwert von 2 oder 3 Euro kann man ein Ticket für die Rückfahrt des Zuges ins vier Stunden entfernte Minsk erstehen. Endstation dieses Zuges übrigens Wolgograd. In alter Sowjettradition beginnen viele Fernzüge in russische Städte immer noch in Brest, was heute in einem anderen land liegt.

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Am Meer

Die Überschrift scheint zunächst etwas irreführend. Belarus ist ein Binnenland, hat keinen eigenen Zugang zu irgendeinem Meer. Zur Ostsee in Litauen sind es vielleicht 350 Kilometer.

Trotzdem erholt sich der Minsker an heißen Sommertagen gern am Meer, und das ganz in der Nähe. Er steigt am Hauptbahnhof oder einer der Vortortstationen in die Elektrischka (электри́чка), einer Art S-Bahn, die im Gegensatz zu den Fernzügen nicht mit Diesel, sondern wie es der Name schon erkennen lässt mit elektrischem Strom fährt. Vorher hat er am Schalter, hoffentlich ohne technische Pause, einen Fahrschein erworben. Bezahlt hat er 1350 Rubel. Etwa 12 Cent. (Arbeitet die weißrussische Bahn kostendeckend?).

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Im dichtgedrengten Wagon sitzt er bepackt mit Erholungsnotwendigem neben der Babuschka – sie will auf der Datscha Beeren und Gurken ernten – und vier anderen in einer Reihe auf einer Holzbank und macht sich an der Station “Минское Море” nach etwa 25 Minuten Fahrzeit zum Aussteigen bereit.

Ja, richtig Минское Море, also Minsker Meer. Bezeichnet wird mit diesem Namen ein Stausee des Flusses Swislotsch. Dieser fließt durch Minsk, bevor er jedoch die Stadt erreicht, wurde er aufgestaut, in den fünfziger Jahren. Etwa 10 Kilometer Strand freuen sich über zahlreiche Besucher. Auch Segelboote, einige Ausflugsdampfer und nicht wenige Motorboote und Jetskies gibt es.

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Baden kann man wohl auch, jedoch scheint es mit der Wasserqualität nicht unbedingt in jeden Seeabschnitt weit her zu sein. Am Südufer des Sees ist das Wasser grün und riecht auch entsprechend. Baden nur für Hartgesottene. Aber auch an Land spielt der Minsker gern Volleyball oder liegt einfach nur in der Sonne, macht ein Feuer und grillt Schaschlyk. Wer nicht den Weg mit der Elektischka auf sich nehmen will kann übrigens mit dem Auto bis direkt ans Wasser fahren. Auf den gleichen Wegen ist auch die Miliz unterwegs, die alle paar Minuten zur Streifenfahrt vorbeirollt.

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Die Fassaden von Minsk

Die Fassaden von Minsk, von denen hier die Rede sein wird, erstrecken sich besonders entlang des Prospektes. Gemeint ist die Prachtstraße der Stadt (wenn nicht des ganzen Landes), der Prospekt der Unabhängigkeit.000_0619

Exkurs zum Namen der Straße. Der der derzeitige Name ist wie gesagt Prospekt der Unabhängigkeit (Weißrussisch: праспект Незалежнасці; Russisch: проспект Независимости), die Bezeichnung der Straße wechselte jedoch im Verlauf der Zeit immer wieder, jeweils aktuelle Veränderungen widerzuspiegeln. So waren z.B. Lenin und Stalin einst Namensgeber, die letzte Namensänderung fand 2005 statt, obwohl doch Belarus schon seit 1991 unabhängig ist. Auch Hauptstraße hieß die Straße im Verlauf des 20. Jahrhunderts gleich zweimal.

Der Prospekt wie er heute bekannt ist, ist das Zentrum des Entwurfs der Stadt Minsk der nach dem 2. Weltkrieg entstand. Vieles war zerstört und man nutzte die Gelegenheit alles komplett neu zu bauen. Die Straße wurde deutlich verbreitert, und verläuft nun achtspurig zwischen den großen Plätzen der Stadt. Gesäumt wird sie an beiden Seiten von Gebäuden aus den 1940er und 1950er Jahren, im Stil des Sozialistischen Klassizismus oder auch Zuckerbäckerstil, bzw. im Russischen Сталинский ампир (Stalin-Empire). Dieser Stil ist auch z.B. in der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin, und sonstwo im ehemaligen Ostblock zu finden. Alles ist mit allerlei Stuckelementen verziert. Vasen, Girlanden und anderer Zierrat aus der Gipsfabrik fehlt an keinem Gebäude.

Jetzt aber zum Kern dieses Beitrages. In jeder Stadt findet man im Zentrum und an großen Straßen repräsentativere Gebäude als in Vororten oder Nebenstraßen. So wie beschrieben auch in Minsk. Jedoch gibt es hier einen großen Unterschied zwischen Straßenseite und den Hinterhöfen oder Seitenstraßen. Die Fassaden sind jeweils nur zur Straßenseite hin aufwendig verziert. Geht man durch einen der vielen Torbögen in den Hinterhof findet man dort oft unverputzte Ziegelsteine. In Seitenstraßen, von denen man auch die Rückseite der Gebäude sieht ist das gleiche Bild erkennbar. Was nicht mehr von der Straße erkennbar ist, ist auch nicht verziert, der Stuck hört an der Hausecke auf. Je weiter man sich aus dem Zentrum bewegt, desto weniger werden die verzierten Gebäude im allgemeinen.

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Interessant ist auch, was sich in so manchem Hinterhof, also hinter der Prachtbebauung findet. So steht in der Nähe des Siegesplatzes in einem Hinterhof – heute zwischen Mülltonnen und Garagen – eine alte Kirche. Sie befand sich früher unmittelbar am alten Prospekt. Die Straße war schon lange vor dem Neuaufbau der 1940er Jahre die Hauptstraße der Stadt, nur eben nicht schnurgerade und 50 Meter breit. Teilweise hat also alte Bebauung überlebt, oft im Hinterhof.

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Besonders gut ist all dies auch im Buch “Minsk – Sonnenstadt der Träume” des belarussischen Autors Artur Klinau nachzulesen. Erschienen im Suhrkamp-Verlag und eines der wenigen aktuellen lesenswerten Bücher über Belarus und Minsk in deutscher Sprache. Einen Eindruck vermittelt auch ein Radiobeitrag, des SWR. Abzurufen in der ARD-Mediathek. Hier klicken.

Post-sowjetisches Herren-Accessoire

Thema Herrenmode. Wie trägt der Mann in Deutschland die täglich benötigten Sachen mit sich herum? Er stopft sie vielleicht in die Hosentaschen, als Geschäftsmann vielleicht in den Aktenkoffer, als Hipster vielleicht in den Jutebeutel.

In den post-sowjetischen Ländern schwört der (mittelalte) Mann jedoch auf seine “барсетка” (Barsetka), bzw. Herrenhandtasche. Dieser spezielle Typ einer kleiner Handtasche – in der Regel aus Leder – wird nur von Männern benutzt und ist mir in Deutschland noch in untergekommen. Wer über 30 ist und etwas auf sich hält führt täglich seine барсетка aus. In (Ost?)Deutschland wird selten eine Herrenhandtasche mit Schleife uns Handgelenk getragen, die post-sowjetische барсетка zeichnet sich jedoch durch ihren praktischen Handgriff und die rechteckige Form aus, egal ob in schwarz oder braun.

Mehr zum Thema Mode in Belarus hier in kürze.

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Technische Pause

Technische Pausen – im Russischen технический перерыв – lernt man hier im alltäglichen Leben recht schnell kennen. Teilweise handelt es sich sogar um technologische! Pausen (технологический перерыв).

Was ist eine technische Pause? Man will z.B. an einer Wechselstube hartes Geld gegen allerlei Papier tauschen, ist nach gewisser Wartezeit an der Reihe, die Mitarbeiterin am Schalter lässt aber ohne mit der Wimper zu zucken eine Jalousie herunter und zeigt wenn man Glück hat noch auf ein Schild auf dem die Zeiten der technischen Pausen stehen. Technische Pausen sind also Pausen des Personals, die während des Tages regelmäßig vorkommen. Natürlich gibt es auch noch eine extra Mittagspause für die ebenfalls geschlossen wird. Besonders in Banken, an Fahrkartenschaltern und Kiosken muss man sich auf diese Pausen einstellen.

Zum unten zu sehenden Bild. Es handelt sich um einen Kiosk der Minsker Verkehrsbetriebe “Minsktrans”. Geöffnet ist (eigentlich) von 7 bis 19 Uhr. Aber von 12.30 bis 13.30 Uhr ist Mittagspause. Technische Pausen gibt es von 8.40 bis 9 Uhr, von 11 bis 11.20 Uhr, von 15.30 bis 15.50 Uhr und schließlich kann man auch zwischen 17.15 und 17.30 Uhr hier keine Tickets erstehen.

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Farbe!

Alles wird durch erneuten Anstrich mit frischer Farbe besser. So scheint die Devise hier in den Straßen des ganzen Landes zu lauten. Auf dem gesamten öffentlichen Raum liegen wie Jahresringe eines Baumes dicke Farbschichten. In der Regel grau.

Besonders im Frühling, im Mai, vor dem Tag des Sieges wurde das ganze Land neu angestrichen. Straßenlaternen, Verkehrsschilder und was sonst noch so an Masten hängt waren nur der Anfang. Außerdem kümmerten sich die eifrig arbeitenden Arbeitskolonnen um Bushaltestellen, Gullideckel, Bänke und vieles andere mehr. Am Kaufhaus GUM wurden sogar extra für den Tag des Sieges manche Fassadenelemente in Gold gestrichen. Selbst Busse (außen und innen) bleiben nicht von neuer Farbe verschont.

Da die staatliche Farbenindustrie recht produktiv ist, schadet es wohl auch nicht, wenn mal der eine oder andere Tropfen daneben geht und auf der Straße landet. Auch wird einfach über die darunter liegende Farbschicht drüber gestrichen, inklusive des Drecks. Details an den Rändern spielen auch keine größere Rolle, um das Abkleben macht man sich keine Gedanken, was auch immer daneben liegt wird einfach ein bisschen mitgestrichen.

Neben dem großen Frühjahrsanstrich gibt es aber wohl auch permanent arbeitende Farbbrigaden, die sich z.B. um Häuserwände oder Verteilerkästen kümmern. So haben Graffittis eine sehr kurze Lebenszeit und sind im Straßenbild fast nicht existent.

Und im nächsten Frühling geht es wieder von vorne los.

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